Der Aufbau des Kompetenzzentrums für Künstliche Intelligenz und Simulation – Teil 2
Im zweiten Teil des Interviews zum geschaffene Kompetenzzentrum Künstliche Intelligenz (KI) und Simulation von armasuisse Wissenschaft und Technologie (W+T) diskutieren Adrian Christ, Business Owner Doktrin Kommando Cyber und Martin von Niederhäusern, Chef Kompetenzzentrum Simulation der Armee, den Stellenwert von KI in ihrem Arbeitsfeld, die Chancen der bundesübergreifenden Zusammenarbeit und die Erwartungen an das geschaffene Kompetenzzentrum.
Interview mit Adrian Christ, Business Owner Doktrin Kommando Cyber und Martin von Niederhäusern, Chef Kompetenzzentrum Simulation der Armee; geführt durch Moana Häfeli, Stab, Wissenschaft und Technologie

In Kürze
Das Kompetenzzentrum Künstliche Intelligenz (KI) und Simulation von armasuisse Wissenschaft und Technologie (W+T) hat zum Ziel, innovative Lösungen für Institutionen der staatlichen Sicherheit zu entwickeln und zu transferieren. In der zweiteiligen Interviewserie sprechen die Experten von armasuisse W+T und der Armee über die Rolle des neu geschaffenen Kompetenzzentrums KI und Simulation, die bundesübergreifende Zusammenarbeit sowie über Chancen und Herausforderungen von KI und Simulation.
Adrian und Martin, ihr beide seid bei der Verteidigung angegliedert. Inwiefern beschäftigt ihr euch mit den Themen KI und Simulation? Was ist eure Rolle innerhalb der Verteidigung?
Adrian: In meiner Rolle als Business Owner - Doktrin für das Kommando Cyber (Kdo Cy) fokussiere ich mich auf die langfristige Weiterentwicklung unserer Organisation. Künstliche Intelligenz ist dabei ein wichtiger Treiber, welcher uns ermöglicht, Entscheidungsprozesse zu automatisieren und Wissensvorsprünge zu erzielen. Simulationen spielen dabei eine unterstützende Rolle, insbesondere wenn es darum geht, Szenarien zu entwickeln und strategische Optionen zu testen. Unser Ziel ist es, eine belastbare Grundlage für die Weiterentwicklung der Fähigkeiten der Schweizer Armee zu schaffen.
Martin: Meine Mitarbeitenden verantworten die kurz- bis langfristige Entwicklungsplanung von den Simulationssystemen, aus fachspezifischer Sicht. Sie arbeiten in interdisziplinären Projekt- und Systemteams in der Rolle als Anwendervertreter/in, im Anwenderteam oder als Fachexperte bzw. Fachexpertin mit. Dabei erarbeiten sie fachspezifische Produkte im Rahmen von Konzepten, Innovationen, der Planung von Vorhaben, in Beschaffungsprojekten und dem Änderungsdienst von eingeführten Simulationssystemen. Sie koordinieren aus fachlicher Sicht auch projektübergreifend die Anspruchsgruppen, denn vielfach gibt es Synergien und Abhängigkeiten. Nicht zuletzt verfolgen wir die technologische Entwicklung im In- und Ausland und stellen den Know-how-Transfer in der Simulations-Community der Armee und armasuisse sicher. Unteranderem vertrete ich die Schweizer Armee in der NATO Modelling und Simulation Group (NMSG)
Das Kompetenzzentrum Simulation der Armee hat zum Ziel, die übergeordnete Steuerung der Entwicklung der Simulationslandschaft gemäss den definierten Gesamtbedürfnissen der Armee unter Einbezug der Anwender sicherzustellen. Es:
- Beschafft und verbreitet benötigtes Fachwissen, koordiniert den gegenseitigen Austausch und pflegt Kontakte zu nationalen und internationalen Partnern;
- Erlässt übergeordnete fachspezifische Vorgaben (wie z.B. die Fachstrategie Simulation oder Vorgaben für Standards) und koordiniert die direkt Unterstellten Organisationen des Chefs der Armee bezüglich der Weiterentwicklung der Simulationslandschaft der Armee;
- Unterstützt die direkt Unterstellten Organisationen des Chefs der Armee und armasuisse mit Fachwissen, in Gremien, bei Innovationen sowie in der Grundlagen- und Projektarbeit;
- Steuert simulationsspezifische Versuche der Armee und stellt die Verbreitung der gewonnenen Erkenntnisse sicher.
armasuisse W+T beschäftigt sich schon seit längerem mit den Themen KI und Simulation, neu jedoch in Form eines Kompetenzzentrums. Auch ihr habt in der Vergangenheit mit armasuisse W+T und dessen Fachleuten im Bereich KI und Simulation zusammengearbeitet. Welche Chancen ermöglicht die Zusammenarbeit mit dem neu geschaffenen Kompetenzzentrum für euch?
Adrian: Das neue Kompetenzzentrum bietet der Armee und dem Kdo Cy die Möglichkeit, noch gezielter Fragestellungen im Bereich KI und Simulation zu bearbeiten. Besonders wertvoll ist die Expertise bei der Entwicklung von Demonstratoren, mit denen wir Konzepte validieren und ihre Machbarkeit testen können. Der enge Einbezug des Anwenders dieser Entwicklungen schafft schlussendlich einen Nutzen zugunsten des Einsatzes und der Truppe. Durch die enge Zusammenarbeit mit armasuisse W+T gewinnen wir nicht nur Zugang zu modernster Technologie, sondern profitieren auch von Synergien, welche die Innovationskraft der Schweizer Armee und des Kdo Cy erhöhen. So können wir in kurzer Zeit Prototypen entwickeln und auf Herausforderungen rasch reagieren.
Martin: Durch die enge bundesamtübergreifende Zusammenarbeit gelingt es uns eine Brücke zwischen Forschung, Innovation / Versuchen und Beschaffung zu schlagen. Wir können unbürokratisch und fokussiert gemeinsam Lösungen für die Truppe erarbeiten. Beispielsweise nehmen wir zusammen mit dem Kompetenzzentrum KI + Simulation, in Kooperation mit dem Kommando Cyber, an der internationalen Übung CWIX 25 teil. Damit gewinnen wir Erkenntnisse für ein laufendes Projekt, welches sich erst bei Meilenstein 10 befindet. Ein solches interdisziplinäres und vorausschauendes Vorgehen wäre zuvor nicht möglich gewesen.
Ein Kompetenzzentrum W+T unterstützt interne Partner bei der Verwertung von technologischem Wissen in innovative Lösungen.
Was sind aktuell eure grössten Herausforderungen im Bereich KI + Simulation?
Adrian: Die technologische Entwicklung im Bereich der Künstlichen Intelligenz schreitet rasant voran. Laut dem Gartner Hype Cycle befinden wir uns bei generativer KI bereits nach dem «Gipfel der überzogenen Erwartungen». Das bedeutet, dass sich der anfängliche Hype legt und wir uns in einer Phase befinden, in der sich zeigt, welche Anwendungen echten Mehrwert bringen. In dieser Konsolidierungsphase trennt sich oft übertriebene Erwartung von tatsächlicher Wertschöpfung – und hier liegt für das Kommando Cyber eine entscheidende Herausforderung: Wir müssen nicht nur technologisch auf dem neuesten Stand bleiben, sondern vor allem sicherstellen, dass unsere Erwartungen an KI realistisch sind und dass wir Lösungen entwickeln, die nicht nur technologisch innovativ, sondern auch robust und einsatzfähig sind – angepasst an die spezifischen Anforderungen der Armee.
Die Zusammenarbeit zwischen dem Kdo Cy und den Anwendern ist essenziell. Nur wenn wir ihre Bedürfnisse genau kennen, können wir Lösungen entwickeln, die nicht nur technologisch führend, sondern auch truppentauglich und einsatzorientiert sind. Die Systeme müssen die spezifischen Anforderungen der Schweizer Armee abdecken, um nachhaltig Mehrwert zu schaffen.
Es reicht nicht, innovative Ansätze in der Theorie zu entwickeln. Entscheidend ist, dass sie in der Praxis funktionieren und ihre Effizienz und Effektivität unter realen Bedingungen nachweisen. Pilotprojekte, praxisorientierte Tests und eine kontinuierliche Abstimmung zwischen Wissenschaft und operativem Einsatz helfen uns dabei, diese Brücke zu schlagen.
Eine Schlüsselrolle spielt die Integration von KI in Simulationsumgebungen. Mit dieser Kombination können wir komplexe Szenarien realistisch nachbilden und fundierte Entscheidungen treffen. Diese Synergie ist zentral, um die Einsatzfähigkeit und Resilienz der Armee in einem zunehmend digitalen Umfeld sicherzustellen.
Martin: Die Digitalisierung. Denn unsere bestehende Simulationswelt ist voller in sich abgegrenzten Silo-Systeme, die untereinander inkompatibel sind. Über die Jahre haben wir teilweise damit begonnen, diese über sehr teure Schnittstellen miteinander zu vernetzen - das ist aber noch nicht DIE Digitalisierung, denn die Daten und Modelle müssen so nach wie vor für jedes einzelne Silo beschafft und gepflegt werden. Digitale Transformation erreichen wir jedoch nur mittels einer datenzentrierten Architektur, wo die Daten als gemeinsame betriebliche Ressource verwaltet und universell genutzt werden können. Entsprechend ist die grösste Herausforderung proprietäre Hersteller-Standards zu überwinden und teilweise auch «Vendor-Lock-In» Situationen, welche uns die Interoperabilität verunmöglichen.

Wo kann euch das Kompetenzzentrum KI + Simulation bei eurem «daily buisness» unterstützen und einen Mehrwert bieten? Könnt ihr konkrete Beispiele nennen?
Adrian: Es hilft uns dabei, fundierte Beurteilungen zu treffen und sicherzustellen, dass wir die richtigen Entscheidungen für zukünftige Entwicklungen treffen. Ein zentraler Aspekt ist die Unterstützung beim Einsatz von KI, wie zum Beispiel Large Language Models (LLM), in verschiedenen einsatzrelevanten Systemen.
Weiter fördert es unsere dezentralen Innovationsprozesse, indem es uns professionell in unseren Entwicklungsrichtungen berät, Demonstratoren entwickelt und uns auf diesem Weg begleitet. Die Expertise des Kompetenzzentrums ermöglicht es uns, Ideen effizienter in die Praxis umzusetzen und innovative Ansätze systematisch zu verfolgen.
Ein konkreter Mehrwert des Kompetenzzentrums liegt in der Unterstützung bei praxisnahen Anwendungsfällen, wo wir bereits erste Erfolge erzielen konnten. Zum Beispiel: Wie kann ein Lagebild effizient erstellt und mit Prompts gefiltert werden, um relevante Informationen schnell und präzise darzustellen? Ein weiteres Beispiel ist die Umwandlung von Sprachbefehlen in Text, wodurch wir Entscheidungsprozesse beschleunigen und Kommunikation vereinfachen können.
Oder wie wir KI-Modelle mit minimalem Trainingsaufwand entwickeln und optimieren können – etwa durch den Einsatz von vortrainierten Modellen. Diese Ansätze sind besonders wertvoll, wenn es darum geht, spezifische Anwendungsfälle mit begrenzten Datenquellen zu adressieren. Solche Lösungen bieten nicht nur praktische Unterstützung im Alltag, sondern auch strategische Vorteile in der Entscheidungsfindung und der Einsatzplanung.
Martin: Michael und sein Team helfen uns dabei, eine Brücke zwischen theoretischer Forschung und dem konkreten Beschaffungsprojekt zu schlagen. Mit dem gemeinsam betriebenen Simulationslabor gelingt es uns auch, die Wahrheit hinter den glänzenden Verkaufsversprechungen der Industrie zu finden, technische und methodische Versuche durchzuführen sowie die effektiven Möglichkeiten des Technologiestandes zu ergründen.

Von der Erarbeitung einer innovativen Lösung im Kompetenzzentrum bis zur praktischen Anwendung - Wie kann man sich Umsetzungs- und Implementierungswege vorstellen?
Adrian: Der Weg von der Idee zur praktischen Anwendung sollte iterativ und flexibel gestaltet sein. Idealerweise starten wir mit einem Proof of Concept oder einem Prototyp, welcher in realitätsnahen Tests validiert wird. Danach folgt die schrittweise Integration in bestehende Systeme. Wichtig ist, dass wir von Anfang an interdisziplinär arbeiten und auch die Anwender frühzeitig einbeziehen.
Was sind eure Erwartungen und Ziele an die zukünftige Zusammenarbeit und zur langfristigen Weiterentwicklung des Kompetenzzentrums?
Adrian: Wir erwarten, dass das Kompetenzzentrum nicht nur technologische Innovationen liefert, sondern auch als Katalysator für die strategische Weiterentwicklung dient. Ziel ist es, eine langfristige, vertrauensbasierte Partnerschaft aufzubauen, in welcher wir gemeinsam Lösungen entwickeln, die praxisnah und nachhaltig sind. Zudem hoffen wir, dass das Kompetenzzentrum eine Plattform für den Wissenstransfer und die Vernetzung zwischen verschiedenen Partnern bietet, sowohl national als auch international.
Martin: Es ist wichtig, dass wir auch weiterhin unkompliziert und unbürokratisch zusammenarbeiten. Das Ziel muss es sein, pragmatisch Lösungen für die Probleme der Truppe zu finden.
Besten Dank Adrian und Martin für eure Zeit und dieses aufschlussreiche Interview
Zum ersten Interview dieser zweiteiligen Serie:

Der Aufbau des Kompetenzzentrums für Künstliche Intelligenz und Simulation
Künstliche Intelligenz sowie Simulation nehmen auch im wehr- und sicherheitstechnischen Umfeld immer stärker Fahrt auf. Um diese Trends zu verfolgen sowie innovative Ideen und Lösungen für Institutionen staatlicher Sicherheit generieren zu können, hat armasuisse Wissenschaft und Technologie (W+T) ein Kompetenzzentrum für Künstliche Intelligenz und Simulation geschaffen.
