Der Aufbau des Kompetenzzentrums für Künstliche Intelligenz und Simulation
Künstliche Intelligenz sowie Simulation nehmen auch im wehr- und sicherheitstechnischen Umfeld immer stärker Fahrt auf. Um diese Trends zu verfolgen sowie innovative Ideen und Lösungen für Institutionen staatlicher Sicherheit generieren zu können, hat armasuisse Wissenschaft und Technologie (W+T) ein Kompetenzzentrum für Künstliche Intelligenz und Simulation geschaffen. Im ersten Interview dieser zweiteiligen Serie erzählt uns Michael Rüegsegger, Leiter des Kompetenzzentrums, mehr über seine Arbeit und die Ziele des Zentrums.
Interview mit Michael Rüegsegger, Leiter Kompetenzzentrum Künstliche Intelligenz + Simulation bei armasuisse Wissenschaft und Technologie; geführt durch Moana Häfeli, Stab, Wissenschaft und Technologie

In Kürze
Das Kompetenzzentrum Künstliche Intelligenz (KI) und Simulation von armasuisse Wissenschaft und Technologie (W+T) hat zum Ziel, innovative Lösungen für Institutionen der staatlichen Sicherheit zu entwickeln und zu transferieren. In der zweiteiligen Interviewserie sprechen die Experten von armasuisse W+T und der Armee über die Rolle des neu geschaffenen Kompetenzzentrums KI und Simulation, die bundesübergreifende Zusammenarbeit sowie über Chancen und Herausforderungen von KI und Simulation.
Lieber Michael, im Rahmen der Weiterentwicklung armasuisse 4.0 wurdest du anfangs 2024 damit beauftragt, einen Entwicklungsplan über das Kompetenzzentrum Künstliche Intelligenz (KI) und Simulation zu erarbeiten. Dieses ist seit vergangenem September fertiggestellt. Was ist die Rolle dieses innerhalb armasuisse Wissenschaft und Technologie (W+T) neu geschaffenen Kompetenzzentrums und welche Lücken können dadurch geschlossen werden?
Die Rolle des Kompetenzzentrums für KI und Simulation ist die Entwicklung und der Transfer innovativer Lösungen für Institutionen staatlicher Sicherheit. Wir arbeiten eng mit den Endanwendern sämtlicher Bundesämter innerhalb des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) zusammen. Dabei entwickeln wir technische Lösungen, damit sie ihre Herausforderungen optimal meistern können. Durch uns werden nicht nur theoretische wissenschaftliche Grundlagen erarbeitet oder marktfähige Produkte erprobt, sondern innovative Lösungen ins Feld gebracht und zusammen mit den Endanwendern getestet. Neben den wissenschaftlichen Grundlagen und der Erprobung schliessen wir damit die Lücke zur Innovation.
Ein Kompetenzzentrum W+T unterstützt interne Partner bei der Verwertung von technologischem Wissen in innovative Lösungen.
Wie stellen sich solche Herausforderungen dar? Kannst du ein Beispiel machen?
Die heutige Simulationslandschaft der Armee besteht aus einer Vielzahl von Simulatoren, welche als Silos betrieben werden. Streitkräftegemeinsame und operationssphärenübergreifende Simulationen zur Streitkräfteentwicklung, Einsatzunterstützung oder Ausbildung sind mit dieser Architektur nicht möglich. Zusammen mit dem Kompetenzzentrum Simulation der Verteidigung arbeiten wir an einer Lösung für dieses Problem. Wir entwickeln eine ganzheitliche, standortübergreifende Simulationsumgebung, welche der Truppe ermöglicht, über sämtliche Operationssphären hinweg gemeinsam eine Mission zu trainieren und zu analysieren.
Im Bereich der KI liegt aktuell die grösste Herausforderung darin, militärische Entscheidungsfindungen effektiver und robuster zu machen. Dazu untersuchen wir zusammen mit dem Kommando Cyber die Integration von intelligenten Agenten, welche den Stab und den Kommandanten bei der Entscheidungsfindung unterstützen.

Das Kompetenzzentrum soll innovative Lösungen erarbeiten. Wer genau profitiert von der geleisteten Arbeit des Kompetenzzentrums bzw. wer zählt zu den Abnehmern?
Primär profitieren die Endanwender sämtlicher Bundesämter innerhalb des VBS, weil wir gemeinsam mit ihnen innovative Lösungen entwickeln, testen und ins Feld transferieren. Weiter profitieren auch unsere Kolleginnen und Kollegen innerhalb der armasuisse, weil wir sie dabei unterstützen, wissenschaftliche Grundlagen in nutzbare Anwendungen umzuwandeln (und zu verwerten).
Welche Dienstleistungen bietet ihr euren Kunden und Partnern an? Habt ihr hierfür besondere Infrastrukturen zur Verfügung?
Unsere Hauptdienstleistung ist es, Demonstratoren zu entwickeln, mit ihnen zu experimentieren und diese zusammen mit den Endanwendern zu testen. Dazu betreiben wir in Thun ein KI- und Simulationslabor, dass uns ermöglicht, gemeinsam mit unseren Partnern aus Hochschulen, Industrie oder ausländischen Streitkräfte und Organisationen, die Use Cases der Endanwender zu schärfen und die technische Machbarkeit und Nutzen frühzeitig zu überprüfen. Oft können Endanwender ihre Herausforderungen nur vage formulieren oder sich den Nutzen einer neuartigen Lösung nur schwer vorstellen. Gemeinsames Experimentieren im Labor hilft in den meisten Fällen mehr als Papier zu generieren oder endlose Workshops durchzuführen.
Darüber hinaus bilden wir die zentrale Anlaufstelle innerhalb des VBS. Das heisst, wir führen und koordinieren sämtliche technologierelevanten Aktivitäten im Bereich KI und Simulation für Sicherheitsanwendungen. Zu diesen Aktivitäten gehören zum Beispiel die technische Beratung der Truppe bei der Initialisierung von neuen Vorhaben oder das Vermitteln von Fachwissen an Partner und Industrie für die Weiterentwicklung von Demonstratoren zu Produkten. Zudem betreiben wir ein Technologie- und Marktmonitoring, um Neuentwicklungen frühzeitig zu identifizieren und rechtzeitig bei Projekten einzubeziehen.
Inwiefern unterscheidet sich das Kompetenzzentrum KI + Simulation von anderen bundesinternen Kompetenzzentren? Zum Beispiel vom Kompetenzzentrum Datenwissenschaften des Bundesamts für Statistik (BFS) oder vom Kompetenzzentrum Simulation der Armee?
Das Kompetenzzentrum Datenwissenschaften des BFS unterstützt und berät andere Verwaltungseinheiten bei der Umsetzung von KI- und Datenprojekten für Verwaltungsanwendungen, um bundesinterne Geschäftsprozesse zu optimieren. Wir hingegen fokussieren uns auf die Entwicklung und den Transfer von innovativen Lösungen im Sicherheitsbereich. Dadurch wirken wir komplementär.
Das Kompetenzzentrum Simulation der Armee ist verantwortlich für die übergeordnete Steuerung der Entwicklung der Simulationslandschaft gemäss den Gesamtbedürfnissen der Armee. Sie sind unser Partner innerhalb der Verteidigung und steuern uns mit den Bedürfnissen der Truppe im Bereich Simulation zielgerichtet an.

Wie stellst du dir die Zusammenarbeit innerhalb armasuisse W+T vor? Und in einem weiteren Schritt innerhalb der armasuisse?
Innerhalb armasuisse W+T wirkt das Kompetenzzentrum als zentrales «Einflugloch» für alle technologierelevanten Anfragen im Bereich KI und Simulation. Wir führen und koordinieren sämtliche Aktivitäten und steuern je nach Bedarf Fachbereiche aus anderen Clustern gezielt an. Damit gewährleisten wir eine interdisziplinäre Zusammenarbeit im Bereich KI und Simulation.
Auf Stufe armasuisse agieren wir als Technologiepartner. Je nach Bedarf können uns Mitarbeitende für eine technische Beratung zur Unterstützung von Beschaffungsprojekten gezielt beiziehen.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit Kunden und Partnern ausserhalb der armasuisse aus?
Wir sind aktuell daran, für jedes Bundesamt innerhalb des VBS eine Kontaktperson zu definieren. Über diese können dann Anfragen und Aufträge gezielt und koordiniert bei uns platziert werden. Durch einen regelmässigen Austausch mit den Kontaktpersonen stellen wir zudem sicher, dass Informationen über unsere Aktivitäten ungehindert fliessen können und Synergien zwischen den verschiedenen Bundesämtern optimal genutzt werden.
Was sind deine Erwartungen und Ziele an die zukünftige Zusammenarbeit und zur langfristigen Weiterentwicklung des Kompetenzzentrums?
Ich erwarte eine unkomplizierte, unbürokratische und zielgerichtete Zusammenarbeit, um gemeinsam innovative Lösungen im Bereich KI und Simulation in die Anwendung zu bringen. Ziel ist es, ein schlagkräftiges Team von Fachexperten zu bilden, welches vertrauensbasierte Partnerschaften aufbaut und gemeinsam mit den Endanwendern pragmatische Lösungen für die heutigen und zukünftigen Herausforderungen, entwickelt.
Danke für deine Zeit.
Zum zweiten Teil der Interviewserie:

Der Aufbau des Kompetenzzentrums für Künstliche Intelligenz und Simulation – Teil 2
Im zweiten Teil des Interviews zum geschaffene Kompetenzzentrum Künstliche Intelligenz (KI) und Simulation von armasuisse Wissenschaft und Technologie (W+T) diskutieren Adrian Christ, Business Owner Doktrin Kommando Cyber und Martin von Niederhäusern, Chef Kompetenzzentrum Simulation der Armee, den Stellenwert von KI in ihrem Arbeitsfeld, die Chancen der bundesübergreifenden Zusammenarbeit und die Erwartungen an das geschaffene Kompetenzzentrum.
