Internationale Zusammenarbeit für Innovationen im Verteidigungssektor
Angesichts rasanter Technologieentwicklungen gewinnt internationale Zusammenarbeit auch im Verteidigungssektor zunehmend an Relevanz. In einem komplexen geopolitischen Umfeld, das zugleich von exponentiellem technologischem Fortschritt geprägt ist, gilt international mehrheitlich die Einschätzung, dass nationale Alleingänge nur bedingt zielführend sind. Technologietrends im Verteidigungssektor lassen sich isoliert kaum nachvollziehen und noch schwerer in verteidigungspolitischen Nutzen überführen. Der Bundesrat beschloss am 27. November 2024, dass die Schweiz am Hub for EU Defence Innovation der Europäischen Verteidigungsagentur teilnehmen darf. Seit dem 1. Januar 2025 ist die Schweiz nun offizielles Mitglied. Dies ermöglicht ihr, sich im Bereich Innovation international zu engagieren, wie etwa an den European Defence Innovation Days.
Jens Rehanek, Forschung und Innovation, und Anela Ziko, Stab, armasuisse Wissenschaft und Technologie

Die Schweiz hat viele Stärken. Dazu zählen unter anderem das duale Bildungssystem oder auch die gelebte Demokratie. Eine weitere ist ihre Innovationskraft. Bereits seit vierzehn Jahren in Folge schafft es die Schweiz, weltweit zur innovativsten Volkswirtschaft gewertet zu werden. Zu diesem Schluss kommt der Global Innovation Index (GII) der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO). Dies kann unter anderem an ihrer eher kleinen Grösse liegen, denn dadurch ist die Zusammenarbeit zwischen der Industrie, der Verwaltung und den Hochschulen effektiv und stark ausgeprägt. Innovation beschränkt sich jedoch längst nicht mehr nur auf den Privatsektor, sondern hat bereits auch Eingang im militärischen Bereich gefunden. Dabei gibt es natürlich Unterschiede zwischen diesen beiden Bereichen.
Privatwirtschaftliche Innovation ist in erster Linie marktgetrieben und reagiert auf die Nachfrage des zivilen Sektors. Der Fokus liegt dabei auf schnellen Anpassungen, Wettbewerbsfähigkeit und dem Zugang zu Finanzierung und Wachstumsmöglichkeiten, die Innovationen für den breiten Markt fördern. Militärische Innovation hingegen wird durch sicherheitspolitische Bedürfnisse gesteuert und ist stärker auf langfristige technologische Entwicklungen fokussiert, die für Verteidigungsanwendungen erforderlich sind. Ein grosses Potenzial für technologische und finanzielle Effizienzgewinne liegt auch in der Schaffung gemeinsamer Normen und Synergien zwischen den Sektoren, um die technologische Souveränität und Innovationskraft zu stärken.
Zunehmende Innovationstätigkeiten im Rahmen der Innovationsräume VBS
Seit der Einführung der Innovationsräume VBS im Jahr 2020 arbeitet der Kompetenzbereich Wissenschaft und Technologie (W+T) des Bundesamts für Rüstung armasuisse verstärkt daran, Innovationen für die Schweizer Armee, aber auch für das gesamte VBS, vorwärtszutreiben und umzusetzen. Mit diesen Räumen können neue Wege und Lösungen für die Bereiche Rüstungs- und Sicherheitstechnologien entwickelt werden, um Fähigkeitslücken zu schliessen. Insbesondere geopolitische Spannungen treiben die Nachfrage nach neuen Verteidigungslösungen an.
armasuisse benötigt für den Erfolg von Innovations-Expeditionen die enge Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure, darunter Bedarfsträger, Partner aus der Verwaltung sowie bei Bedarf der Industrie und der Akademie. Eine intensive Zusammenarbeit von Beginn an ist entscheidend, um bedarfsgerechte Lösungen zu entwickeln. Dabei steht die gemeinsame Zielverwirklichung aber insbesondere die Herausforderung des Bedarfsträgers an erster Stelle, um somit die passende Lösung für den konkreten Bedarf erfolgreich zu erarbeiten. Diese beteiligten Akteure stammen in der Regel aus der Schweiz, doch werden internationale Partner immer wichtiger. Einer davon ist die Europäische Verteidigungsagentur EVA.
Verstärkte internationale Zusammenarbeit
Die Schweiz unterzeichnete im Jahr 2012 die Vereinbarung zur Rüstungszusammenarbeit Framework for Cooperation mit der Europäischen Verteidigungsagentur. Damit erhielt sie Zugang zu Aktivitätsbereichen der EVA wie etwa der Forschung, der Rüstung oder auch der Ausbildung. Gestützt auf diese Vereinbarung beteiligt sich die Schweiz seither an zahlreichen Aktivitäten der EVA, beispielsweise an den Capability Technology Groups (CapTech). Diese führen Forschungs- und Technologieaktivitäten entsprechend dem gemeinsamen Bedarf an Verteidigungsfähigkeiten durch. Durch enge Kooperation auf nationaler wie auch internationaler Ebene können wir den Herausforderungen moderner Bedrohungen wirksam begegnen und innovative Lösungen entwickeln.
Damit die Schweiz neu auch Anschluss zu technologischen Verteidigungsinnovationen erhält, reichte die Schweiz, vertreten durch armasuisse Wissenschaft und Technologie, Ende 2023 eine Absichtserklärung, einen «Letter of Intent», für den Beitritt der Schweiz zum Hub for European Defence Innovation (HEDI) ein. HEDI ist das Programm der EVA für Verteidigungsinnovationen und ermöglicht den Mitgliedstaaten eine verstärkte und erleichterte Zusammenarbeit auf diesem Gebiet.
Die Schweiz kann somit ihre Forschung und internationale Zusammenarbeit erweitern und sowohl akademische wie industrielle Innovationen unterstützend auch in die europäischen Instrumente einbringen.
Basierend auch auf dem positiven Entscheid des Lenkungsausschusses der EVA im März 2024, konnten Mitarbeitende von armasuisse beispielsweise im Sommer 2024 erstmalig und unverbindlich als Beobachter am Grossanlass REPMUS teilnehmen. Diese jährliche Erprobungsübung im Bereich unbemannter und autonomer Systeme wird von der portugiesischen Marine, der NATO und der Fakultät für Ingenieurwesen der Universität Porto organisiert und ausgerichtet. Sie wird von der Europäischen Verteidigungsagentur mitorganisiert und unter Beteiligung ausländischer Streitkräfte, Universitäten und Technologieunternehmen durchgeführt. Anlässe wie dieser fördern den gemeinsamen Dialog, schaffen Verständnis für eine verstärkte internationale Kooperation und helfen dabei, gemeinsame Entwicklungen voranzutreiben.
Schweiz nimmt am Hub for European Defence Innovation teil
Seit dem 1. Januar 2025 darf die Schweiz auch offiziell am Hub for European Defence Innovation der EVA teilnehmen. Den Beschluss und die Zusagen zu einer solchen unverbindlichen Teilnahme hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 27. November 2024 verabschiedet. Damit eröffnen sich für die Schweiz neue, bisher unzugängliche Möglichkeiten, wie sie international im Verteidigungssektor Innovationen vorantreiben kann. Sie erhält neu Zugang zu und Austausch auf Augenhöhe mit dem Expertennetzwerk der EVA, zu Informationen über aktuelle Technologieentwicklungen und -entscheiden, wie auch einen gleichberechtigten Zutritt zu den Innovationsaktivitäten des Hub for European Defence Innovation. Gleichzeitig könnte auch die Schweiz ihrerseits zum Beispiel Infrastrukturen für Erprobungsaktivitäten im Bereich der Drohnen, der Robotik oder autonomen Systeme zur Verfügung stellen. Ein konkretes Beispiel ist das 2025 geplante Symposium Scout 25 zum Thema moderne Gefechtsfeldaufklärung und Gegenmassnahmen. Organisiert wird dieser Anlass von armasuisse Wissenschaft und Technologie – mit Unterstützung des Heers – und richtet sich auch an Vertreterinnen und Vertreter des Hub for European Defence Innovation. Als HEDI-Mitglied nahm eine Schweizer Delegation unter der Leitung von armasuisse Wissenschaft und Technologie im Mai 2025 erstmalig an den European Defence Innovation Days (EDID) der HEDI teil. EDID ist eine einzigartige Plattform für Industrie, Verteidigung, Verwaltung und Akademie, um sich über die neusten Innovationsaktivitäten im Verteidigungssektor auszutauschen.
Weiter kann auch die Sicherheitsrelevante Technologie- und Industriebasis STIB gestärkt werden. So können sich Schweizer Unternehmen bei einer Teilnahme am HEDI für Projekte und Kooperationen bewerben sowie an internationalen Wettbewerben teilnehmen und damit auch ihre Sichtbarkeit auf internationaler Ebene erweitern.
Eine Teilnahme am HEDI verstärkt nicht zuletzt auch den Austausch und die Kooperation mit EVA-Staaten auf technologischer Ebene und bezüglich gemeinsamer Innovationen. Des Weiteren erhält die Schweiz Mitspracherecht bei strategischen Fragestellungen, beispielsweise bei der Definition der Bereiche, in denen nach innovativen Lösungen gesucht oder diese vorangetrieben werden sollen.
Somit ist der Beitritt der Schweiz zum HEDI ein weiterer und wichtiger Schritt, um langfristig die länderübergreifende Zusammenarbeitet und damit auch die Sicherheit in Europa wahren zu können.
Weiterführende Informationen
- Innovationsräume VBS
- Europäische Verteidigungsagentur EVA - HEDI (auf Englisch)
- NATO- DIANA (auf Englisch)
