Innovation International
Die aktuelle geopolitische Lage und die Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Covid- Pandemie haben die Grenzen der Globalisierung aufgezeigt. Dies führt dazu, dass mittlerweile international vermehrt auf jeweils nationale Industriekapazitäten gesetzt wird. Internationale Innovation und Zusammenarbeit werden gestärkt und sind insbesondere auch weiterhin unbestritten in ihrer Wichtigkeit. Die Herausforderungen hierbei sind oftmals die gleichen, weswegen schon aus Gründen der Nachhaltigkeit von Ressourcen, Kompetenzen und Ideen international geteilt und genutzt werden sollten. Wie die Schweizer Innovationskraft aufgestellt ist und auch im Rüstungsbereich genutzt werden kann und wird, erzählt uns Dr. Jens Rehanek im Interview.
Interview mit Dr. Jens Rehanek, Fachbereich Forschung + Innovation, geführt von Anela Ziko, Stab, Kompetenzbereich Wissenschaft und Technologie

In Kürze
Dr. Jens Rehanek ist wissenschaftlicher Projektleiter bei armasuisse Wissenschaft und Technologie. Dort verantwortet er selbst Expeditionen und betreut den Kontakt zur Europäischen Verteidigungsagentur (EVA), insbesondere dem Hub for European Defence Innovation (HEDI). Im Interview gibt er Aufschluss über Innovation im internationalen Kontext.
Lieber Jens, alle sprechen von Innovation. Auch armasuisse, genauer der Kompetenzbereich Wissenschaft und Technologie, beschäftigt sich seit einigen Jahren mit diesem Thema. Kannst du uns erklären, was Innovation für armasuisse bedeutet?
Innovation in der Verteidigung bezieht sich auf die Entwicklung neuer Technologien, Prozesse und Strategien, die die Effizienz und Effektivität militärischer Operationen verbessern können. Dies umfasst sowohl technologische Fortschritte wie Hard- oder Softwarelösungen als auch organisatorische Innovationen, die die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zwischen verschiedenen Akteuren verbessern.
Im öffentlichen Beschaffungswesen, und damit für armasuisse, bedeutet Innovation, dass Beschaffungsprozesse, insbesondere jedoch vorbereitende Arbeiten solcher Beschaffungsprozesse, flexibler gestaltet werden. Mit Innovationen sollen andere Lösungen entwickelt und ermöglicht werden, die gegebenenfalls weiter oder anders gedacht werden, als die vielleicht bisher offensichtliche Lösung. Darüber hinaus spielt die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor eine entscheidende Rolle, um innovative Lösungen zu identifizieren und umzusetzen.
Letztendlich zielt unsere Innovation darauf ab, die Sicherheit unseres Landes zu erhöhen und seine Verteidigungsfähigkeit in einem sich ständig verändernden geopolitischen Umfeld sicher zu stellen.
Technologische Entwicklungen schreiten oft schneller voran als politische Prozesse. Gibt es deiner Meinung nach Unterschiede zwischen Innovationen im zivilen Umfeld und jenen im Verteidigungssektor?
Innovationen im Verteidigungssektor unterscheiden sich erheblich von denen im zivilen Sektor. Der Verteidigungssektor unterliegt strengen regulatorischen Rahmenbedingungen und Genehmigungsverfahren, die die Umsetzung neuer Technologien verlangsamen können. Auch sind die Innovationszyklen in der Regel länger als in der Privatwirtschaft. Darüber hinaus müssen Innovationsprojekte, die staatlich finanziert werden, strenge Budgetvorgaben erfüllen. Entsprechend ist die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor oft komplex, da nationale Interessen gewahrt werden müssen.
Im zivilen Sektor hingegen gibt es eine grössere Vielfalt an Finanzierungsquellen, einschliesslich privater Investitionen und Risikokapital, was die Entwicklung neuer Technologien beschleunigen kann.
Der Fokus ziviler Innovationen liegt etwas mehr darauf, die Effizienz von Dienstleistungen für Kunden oder aber auch deren Lebensqualität zu verbessern. Im Verteidigungssektor spielen zusätzlich zur Effizienz noch die Aspekte Sicherheit und strategische Vorteile eine übergeordnete Rolle.
Für die Schweiz könnten diese Programme damit die Möglichkeit bieten, ihre Verteidigungsfähigkeiten zu stärken.
Seit 2022 arbeitest du bei armasuisse W+T. Kannst du uns erklären, was das Ziel der Innovationsräume VBS ist und wie – und insbesondere für wen – diese genutzt werden?
Der Deloitte-Bericht, der die Beschaffungsprozesse des VBS im Jahr 2019 analysierte, empfahl die Schaffung eines Innovationsraumes, um innovative Lösungen zu identifizieren, zu entwickeln und zu testen. armasuisse W+T hat dieses Konzept aufgegriffen und die auf die spezifischen Herausforderungen in der Schweiz ausgerichteten Innovationsräume VBS entwickelt. Diese Räume sollen dabei helfen, Fähigkeitslücken zu identifizieren und zu schliessen sowie Fehlinvestitionen zu vermeiden. Im Jahr 2020 beauftragte die Chefin des VBS, Viola Amherd, schliesslich armasuisse mit der Konzeption, woraus fünf bedarfsorientierte Innovationsräume entstanden sind: Wettbewerb, Booster, Idea Lab, Sandbox und Testrun. Jeder Raum bearbeitet spezifische Herausforderungen im militärischen Kontext, wobei Lösungen funktionsübergreifend entwickelt werden.
Die wiederholte Global Innovation Index- Spitzenposition der Schweiz in Technologie und Innovation zeigt das enorme Potential unseres einzigartigen Ökosystems mit all seinen akademischen und industriellen Fähigkeiten auf Weltniveau. Dieses möchten wir uns im VBS nun auch vermehrt für die Entwicklung von Lösungen im Rahmen der Innovationsräume VBS zu Nutze machen.
Der Fokus der Innovationsräume VBS liegt auf mittel- bis langfristigen Innovationen, die den heutigen und zukünftigen militärischen Herausforderungen gerecht werden sollen. Ein Schlüsselaspekt der Innovationsräume VBS ist, dass der Bedarfsträger den Prozess von Beginn bis zum Abschluss, der in der Verwertung der gewonnenen Erkenntnisse liegt, gemeinsam mit den Fachexperten und den Innovationsbetreuern komplett durchläuft.
Der Prozess der Innovationsräume VBS soll jedoch auch allen anderen Bundesämtern innerhalb des VBS zur Verfügung stehen. Dabei unterstützen wir vom Team Innovation bei armasuisse W+T die Bundesämter gerne methodisch und stehen auch bei einer potenziellen Umsetzung beratend zur Seite.
Die einzelnen Innovationsprojekte beziehungsweise Expeditionen, wie sie bei armasuisse genannt werden, werden in erster Linie auf nationaler Ebene umgesetzt. Wie sehen der Austausch und die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene aus?
Da die Innovationsräume VBS noch jung sind, können wir hierbei natürlich noch nicht auf Langzeiteffekte zurückblicken. Wir sehen aber bereits definitiv, dass es einen sehr regen Austausch mit der nationalen und internationalen Industrie und den Nutzern gibt, zum Beispiel mit den Bedarfsträgern oder mit Organisationen wie dem Hub for European Defence Innovation der Europäischen Verteidigungsagentur.
Es gibt aber auch einen ständigen internationalen Erfahrungsaustausch auf methodischer Ebene mit nationalen wie auch mit staatsübergreifenden Organisationen, die vor den gleichen oder ähnlichen Herausforderungen stehen. Dies ist ein fester Bestandteil auch der ständigen Weiterentwicklung des Konzepts der Innovationsräume VBS und der darin verwendeten Methodiken selbst.
Die Europäische Verteidigungsagentur und die NATO haben eigene Innovationsprogramme. Welche Bedeutung haben diese für technologische Innovationen im Verteidigungssektor und insbesondere für die Schweiz?
Die Innovationsprogramme der Europäischen Verteidigungsagentur EVA und der NATO gewinnen mehr und mehr an Bedeutung. Sie fördern die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, erleichtern den Austausch von innovativen Ideen und bieten finanzielle Unterstützung für Forschungsprojekte. Weiter stärken diese Programme die Interoperabilität der Streitkräfte.
Gemäss dem Bericht Sicherheit 2024 des Center for Security Studies der ETH Zürich unterstützen einerseits 52 % des Schweizer Volkes den Wunsch nach mehr Kooperation mit der NATO im Bereich neuer Technologien, während 91 % auch weiterhin die Neutralität befürworten.
Die Schweiz steht in gutem Austausch mit der NATO, seit 1996 institutionalisiert im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden (PfP) und mit der EVA seit 2012 im Rahmen der Vereinbarung zur Rüstungszusammenarbeit. Die Teilnahme an deren Innovationsprogrammen könnte der Schweizer Verteidigungsindustrie helfen, ihre Technologien zu verbessern und auf dem internationalen Markt wettbewerbsfähiger zu werden. Eine Teilnahme kann dazu beitragen, die Rolle der Schweiz in den europäischen Sicherheitsstrukturen zu festigen und sich besser an neue sicherheitspolitische Herausforderungen anzupassen. Für die Schweiz könnten diese Programme damit die Möglichkeit bieten, ihre Verteidigungsfähigkeiten zu stärken.
Und zum Abschluss: In welchen technologischen Bereichen siehst du das grösste Innovationspotenzial der nächsten Jahre für die Schweiz und für den Verteidigungsbereich?
Im Bereich der Verteidigung verfügt die Schweiz über mehrere vielversprechende Technologien mit erheblichem Innovationspotenzial.
Künstliche Intelligenz kann zur Verbesserung der Datenanalyse und Entscheidungsfindung sowie der Automatisierung von Prozessen, beispielsweise in der Logistik, eingesetzt werden, während sie beispielsweise im Bereich der Cybersicherheit beitragen kann, unter anderem im Rahmen von automatisierter Bekämpfung von Cyberangriffen. Autonome Systeme und Robotik können gefährliche Aufgaben übernehmen, somit eine menschliche Präsenz in gefährlichen Umgebungen reduzieren und auch die Effizienz militärischer Operationen steigern.
Insgesamt könnten innovative technologische Entwicklungen auch der Schweizer Rüstungsindustrie die Möglichkeit bieten, Effizienz, Sicherheit und Widerstandsfähigkeit zu erhöhen und sich an eine sich verändernde geopolitische Landschaft anzupassen. Das Innovationspotential der Schweiz ist klar ausgewiesen, nun gilt es, diese auch für Innovation für die Sicherheit der Schweiz nutzbar machen zu können.
Danke für deine Zeit.
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