Ferngesteuerter Bagger im Einsatz: Ein Beispiel erfolgreicher Kollaboration
Auf dem Schiessplatz Wichlen musste die Stützmauer der Panzerzielbahn saniert werden. Zu diesem Zweck führte armasuisse im Juli und Oktober 2023 einen Einsatz mit dem Lehrverband Genie/Rettung/ABC (LVb G/Rttg/ABC) durch. Dabei konnten Durchdiener des Kommandos LVb G/Rttg/ABC mit dem unbemannten, ferngesteuerten Schreitbagger namens «Armano» erfolgreich Sanierungsarbeiten durchführen. Ein Interview mit drei involvierten Personen.

Interview mit:
Dr. Tonya Müller, Wissenschaftliche Projektleiterin, armasuisse Wissenschaft und Technologie;
Daniel Hafner, Projektleiter und Bauherr, armasuisse Immobilien;
Daniel Sommer, Chef Fachbereich Ausbildungs- und Einsatzzentrum Kranfahrzeuge, Kata Hi Ber Bat
Im nachfolgenden Interview geben die Projektleitenden seitens armasuisse Immobilien, Lehrverband Genie/Rettung/ABC sowie armasuisse Wissenschaft und Technologie (W+T) Einblicke in die Organisation und Durchführung.
Wie kam es dazu, dass Ihr auf dem Schiessplatz im Einsatz standet?
Daniel Hafner: Ich bin als Projektleiter Bauherr für den Schiessplatz Wichlen für die Einhaltung der Kosten und Termine zuständig. Dabei haben wir seitens armasuisse Immobilien das Kommando Kampfmittelbeseitigung und Minenräumung (KAMIR) damit beauftragt, auf zwei Baustellen die Blindgängerabklärungen zu machen. KAMIR wusste vom Bedarf an Ausbildungsmöglichkeiten für den ferngesteuerten Schreitbagger «ARMANO».
Gestützt auf die internen Kontakte zwischen armasuisse Immobilien, armasuisse Wissenschaft und Technologie und dem Lehrverband Genie/Rettung/ABC wurden die Unterstützungsleistungen der Armee für Baumaschinenarbeiten auf dem Schiessplatz Wichlen mittels Leistungsvereinbarung freigegeben.
Tonya Müller: Das Kommando KAMIR hatte sich vor dem Einsatz auf dem Schiessplatz Wichlen in diversen Tests bereits mit dem Schreitbagger «ARMANO» familiarisiert. Aufgrund der möglichen Risiken durch Blindgänger während der Sanierung hat sich das Kommando KAMIR beim Schweizer Drohnen- und Robotik-Zentrum (SDRZ), das bei armasuisse W+T angesiedelt ist, über den fernbedienten Einsatz vom Schreitbagger erkundigt. Nach einer gemeinsamen Besichtigung und der Einschätzung seitens des Einsatzleiters Daniel Sommer und des Projektleiters Daniel Hafner kam es nach der Unbedenklichkeitserklärung des Baumeisterverbands vom Kanton Glarus zum Einsatz des fernbedienten Baggers.
Daniel Sommer: Aufgrund des Militärgesetzes, dass die Armee industrielle Anbieter nicht konkurrenzieren darf, mussten die entsprechenden Papiere und Auflagen durch den Antragsteller eingereicht und erfüllt werden. Dies, damit auch die rechtlichen Grundlagen erfüllt und eingehalten werden. Dieser Prozess wurde schnell und unbürokratisch, mit einem positiven Resultat, abgeschlossen. Somit Stand dem Einsatz nichts mehr im Wege.
Wer hat den Bagger bedient?
DS: Die Maschine wurde von Durchdienersoldaten des Katastrophenhilfe Bereitschaftsbataillons (Kata Hi Ber Bat) bedient. Dies sind Soldaten, die ihre gesamten 300 Dienstage am Stück absolvieren und danach keine Wiederholungskurse mehr leisten müssen.
Die Durchdiener erhalten in der Rekrutenschule ihre Grundausbildung auf den Baumaschinen der Genie- und Rettungstruppen. Erst mit dem späteren Wechsel in das Kata Hi Ber Bat werden sie auf der Robotik-Maschine ausgebildet und für mögliche Einsätze vorbereitet.
Um eine gewisse Überlappung bei neuen und alten Durchdienern und somit eine permanente Sicherstellung der Verfügbarkeit der Robotik-Baumaschinen zu garantieren, findet der Wechsel ins Kata Hi Ber Bat frühzeitig statt.
Die Soldaten sind sehr interessiert an der neuen Technik und den Möglichkeiten, die diese bieten. Dabei ist der Schreitbagger immer noch die Königsbaumaschine unter den Maschinen.
Wie wurde die Ausbildung organisiert?
DS: Beim Kata Hi Ber Bat bildet das Ausbildungs- und Einsatzzentrum Kranfahrzeuge die Durchdienersoldaten auf den spezifischen und den Robotik-Baumaschinen aus und bereitet sie so auf mögliche Einsätze vor. Die Ausbildung wird durch Berufsmilitär und in Kleingruppen durchgeführt.
Warum dies? Das Kata Hi Ber Bat ist das Element der ersten Stunde bei einem Ereignis. Tritt ein Ereignis ein, fehlt die Zeit, um unsere Soldaten fit für den Einsatz zu machen. Wir müssen stehts bereit sein, um unsere Leistungen erbringen zu können. Daher ist die Ausbildung sehr intensiv und es wird viel von den Soldaten abverlangt, aber natürlich auch von den Berufsmilitärs.
Was war wichtig während dieses Einsatzes?
DS: Die ersten Schritte vor der eigentlichen Arbeit waren das Hochfahren der Mittel und das Testen der Sicherheitsaspekte.
TM: Das SDRZ war während des Einsatzes insgesamt drei Mal vor Ort, um sich mit den Beteiligten auszutauschen. Wir wollten bei dieser seltenen Gelegenheit möglichst viel über einen reellen Einsatz des Schreitbaggers in Erfahrung bringen: Wie agiert die fernbediente Maschine? Was fehlt? Wie verhält sich die Maschine im herausfordernden Gelände? und vieles mehr. Mit Antworten auf diese Fragen können Fähigkeitslücken von «ARMANO» gezielter geschlossen werden.
Wurden Blindgänger gefunden?
DS: Scharfe Blindgänger wurden nicht gefunden. Es wurden nur Bestandteile gefunden, die keine Gefahren darstellten. Diese wurden vorschriftsgemäss entsorgt.
Welche Erfahrungen und Erkenntnisse habt ihr gesammelt?
TM: Technisch können wir die Bedienerfreundlichkeit und die Datenübertragung weiter optimieren. Die Installation und die Wahrnehmung bei der Bedienung erfordert eine Angewöhnungszeit und wird dann aber als intuitiv und unkompliziert eingestuft. Dieser Einsatz hat das Verständnis für die fernbediente Technologie erweitert und wichtige Einblicke bezüglich Ausbildungs- und Einsatzkonzept gegeben. Dies dient schliesslich dazu, die Rahmenbedingungen für den Einsatz fernbedienter Maschinen besser einzuschätzen und zu definieren, was für spätere Beschaffungen entscheidend sein kann.
Was sind Eure Einschätzungen zum Potenzial des Baggereinsatzes beziehungsweise der fernbedienten Technologie für die Zukunft?
TM: Ich schätze das Einsatzpotenzial als gross ein. Dies ist eine Schlüsseltechnologie, weil sie die Sicherheit des Personals während Arbeiten in Gefahrenzonen, in schwierigem Gelände sowie bei Naturgefahren signifikant erhöhen kann.
Was macht diesen Einsatz so speziell?
TM: Es ist ein tolles Beispiel einer guten und erfolgreichen Kollaboration zwischen dem Kommando KAMIR, dem Lehrverband Genie/Rettung/ABC und den armasuisse-Bereichen Immobilien und W+T. Die Beteiligten waren proaktiv, die Koordination speditiv und jede Partei befürwortete den Einsatz der fernbedienten Baumaschine.
Es war ein wichtiger Einsatz für das SDRZ und für das Bedienpersonal der Katastrophenhilfe, um weitere Erfahrungen in einer reellen Umgebung und in einem reellen Einsatz zu sammeln.
DH: Die Panzerzielbahn wurde im Jahr 1994 erstellt. Sie liegt auf rund 1530 m ü. M. und ist starken witterungsbedingten Einflüssen wie Eis und Schnee ausgesetzt. Entsprechend weist die Konstruktion bereits einige Schadensarten auf.
Da der Verdacht auf Blindgänger im Vorkugelfang nicht auszuschliessen war, wurde zum Schutz der Bauarbeiter beziehungsweise der Baumaschinenführer der Baustellenaushub mit dem ferngesteuerten unbemannten Schreitbagger bewerkstelligt. Dies diente auch der Ausbildung und Erfahrungssammlung der Truppe.
DS: Für meine Soldaten und die Robotik-Baumaschine war dies der erste reale Einsatz, den wir vollständig ferngesteuert ausführen durften. Auf Grund der unklaren Situation, was Blindgänger anbelangte, war die Robotik-Baumaschine das einzige Mittel, das bei diesem Einsatz eingesetzt werden konnte.
Das Arbeiten mit ferngesteuerten Robotik-Baumaschinen ist eine sehr anspruchsvolle Arbeit. Dies, da man nicht die gleiche Rückmeldung des Geländes erhält, wie wenn man selbst in der Maschine sitzt.
Bei diesem Auftrag in Wichlen kamen Fähigkeiten des Schreitbaggers und Fernsteuerung zusammen, was den Auftrag für meine Soldaten interessant machte und ihnen hohes Können abverlangte.
Kann eine solche Zusammenarbeit in dieser Form in Zukunft wiederholt werden?
TM: Ja, sehr gerne. Die Zusammenarbeit funktionierte einwandfrei und ergänzte sich in Bezug auf die Verantwortlichkeiten sehr gut. Wir wünschen uns mehr solche Möglichkeiten, um die Technologie auch weiter zu entwickeln und an den Einsätzen anpassen zu können.
DH: Aus meiner Sicht kann eine solche Zusammenarbeit jederzeit wieder durchgeführt beziehungsweise beauftragt werden.
DS: Das Kata Hi Ber Bat ist dankbar für solche Arbeiten. Die Zusammenarbeit zwischen armasuisse Immobilien und dem Kata Hi Ber Bat gibt es schon lange und man kennt sich gegenseitig.
Noch ein persönliches Statement von Euch: Was lief gut und was lief weniger gut?
DH: Für mich als Projektverantwortlicher der armasuisse Immobilien lief die Abwicklung der Bauarbeiten hervorragend. Speziell zu erwähnen sind die guten Kontakte zu den verantwortlichen Personen.
TM: Die Abklärungen zum Einsatz und die Einsatzkoordination verliefen dank Daniel Hafner und Daniel Sommer einwandfrei. Das Bedienpersonal lieferte hilfreiche Rückmeldungen bezüglich Bedienerfreundlichkeit und Verbesserungen am technischen Gesamtsystem.
DS: Für mich verlief der Auftrag zur vollsten Zufriedenheit.
Mich interessieren die Technik und die Möglichkeiten beim Einsatz von Robotik-Baumaschinen sehr. Auch in Hinsicht für den Einsatz in der Armee, sei es in Katastrophenlagen, ungeklärtem Gebiet oder bei sonstigen Ereignissen. Es erweitert das Einsatzspektrum und die Möglichkeiten. Bei der Beurteilung der Lage kann bei der Gefahrenanalyse die Robotik mit einbezogen werden. So können auch unter Gefahr Einsätze erfüllt werden, ohne dass ich einen meiner Soldaten gefährden muss. Klar, es könnte Schäden an Maschinen geben, diese kann jedoch ersetzt werden – nicht wie ein Leben!
Auf dem Schiessplatz Wichlen in Glarus lief ein Bauvorhaben von armasuisse. Dort wurde die Stützmauer der Panzerzielbahn saniert. Da die Anlage auf rund 1530 m ü. M. liegt, ist sie oft starken witterungsbedingten Einflüssen wie Eis oder Schnee ausgesetzt. Aus diesem Grund kippte die Stützmauer einerseits einwärts. Andererseits war der Beton im oberen Bereich in schlechtem Zustand. Vor der geplanten Sanierung wurde das Gelände durch das Kommando Kampfmittelbeseitigung und Minenräumung KAMIR auf Blindgänger untersucht. Der Lehrverband Genie/Rettung/ABC (LVb G/Rttg/ABC) hatte festgestellt, dass sich das Bauvorhaben mit der unbemannten Mehrzweckmaschine «ARMANO» ideal als Ausbildungsprojekt für die Durchdiener des Kommandos LVb G/Rttg/ABC eigenen würde. «ARMANO» wird von armasuisse Wissenschaft und Technologie im Rahmen von Versuchen im Bereich der Katastrophenhilfe eingesetzt.
Dies führte schliesslich dazu, dass im Juli und Oktober 2023 armasuisse Wissenschaft und Technologie, armasuisse Immobilien sowie der Lehrverband Genie/Rettung/ABC einen gemeinsamen Versuch mit dem ferngesteuerten Schreitbagger «ARMANO» in Wichlen durchführten.
Ab Februar 2024 kommt «ARMANO» in der Gemeinde Schwanden aufgrund eines Murgangs im Dorf zum Einsatz.

