«Für unsere Bedürfnisse ist das Jobsharing-Modell ein Volltreffer»
Im Interview erzählt André Gsell, Berater für Rüstungsfragen der armasuisse und NADREP, von seinem abwechslungsreichen Arbeitsalltag in Belgien, wo er zuständig für die Belange der NATO ist.
André Gsell und Charlotte Hirsbrunner, Fachbereich Aussenbeziehungen, Kompetenzbereich Ressourcen und Support

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir in Brüssel aus?
Wie auch bei Eva sind meine Tage nicht alle gleich. Wenn Themen an mich herangetragen werden, sei es aus Bern oder aus der NATO, geht es üblicherweise zuerst um Informationsbeschaffung. Dabei geht es beispielsweise darum, ob ein NATO-Standard für die Schweiz zugänglich ist, uns eine Arbeitsgruppe offensteht oder was die Teilnahmebedingungen für ein Entwicklungsprojekt sind. Das passiert über Sitzungen von Gremien der NATO, im Austausch mit Kollegen aus anderen Ländern oder beim Lesen von Berichten zu Treffen von Arbeitsgruppen. Sobald das verdichtet und analysiert ist, kann ich meine Erkenntnisse an die Zentrale vermitteln. Immer dabei ist der stete Abgleich mit den politischen und militärischen Teams der Mission. Mein Alltag besteht also aus viel menschlichem Kontakt, aber auch technisches Verständnis und Redaktionsarbeit.
Wie bist du überhaupt zu diesem Job gekommen?
Als Eva auf die Ausschreibung aufmerksam gemacht wurde, waren wir beide gerade an einem Wendepunkt. Wir hatten beide befristete Arbeitsverträge und wollten gerne ins Ausland. Unser erstes Kind war unterwegs, aber keiner von uns konnte sich vorstellen, als Begleitperson im Ausland voll die Familienbetreuung zu übernehmen. Wir haben dann die Ausschreibung mit zusammengekniffenen Augen angeschaut und eine kecke Bewerbung im Jobsharing abgeschickt. An sich haben wir uns keine Hoffnungen gemacht und waren dann umso positiver überrascht, als wir die Stelle angeboten bekommen haben. Es brauchte noch einige Gespräche untereinander und mit armasuisse, bis wir gemeinsam entschieden haben, wir wagen dieses Experiment!
Du und deine Frau Eva arbeiten im Jobsharing. Was sind deine/eure Erfahrungen mit diesem Arbeitsmodell?
Für unsere Bedürfnisse ist das Modell ein Volltreffer. Wir sind beide zu 60% angestellt, und arbeiten jeweils drei volle Tage die Woche. Das gibt uns Zeit mit unseren Kindern und lässt jedem von uns auch noch Freiraum für eigene Projekte oder ab und an für eine liegen gebliebene E-Mail. Weil aber die Sitzungskalender nicht gross beeinflusst werden können, braucht es auch immer etwas Flexibilität.
Wie würdest du die Beziehungen zwischen der Schweiz und der NATO beschreiben?
Letztes Jahr durften wir das 25. Jubiläum der des Schweizer Beitritts zu Partnerschaft für den Frieden (PfP) feiern. Entsprechend haben wir schon etwas Geschichte mit der NATO. Ein tragendes Grundprinzip der Schweizer Beziehung zur NATO ist wieder die gegenseitige Nützlichkeit aller Kooperationsaktivitäten. Die NATO ist eine politische Organisation mit einem militärischen Arm; entsprechend werden die Beziehungen nicht nur vom VBS geprägt, sondern auch vom EDA. Auf technischer Stufe wird in einem umfassenden Kooperationsabkommen die Weiterentwicklung der Partnerschaft gesteuert. Dieses Jahr hat dort auch armasuisse erstmals die Hauptverantwortung für einige Kooperationsziele übernommen. Entsprechend sind wir hier solide aufgestellt und haben uns die Grundlagen erarbeitet, um die Beziehung entlang unseren Bedürfnissen ausbauen zu können.
Wo siehst du die grössten Herausforderungen und wo die grössten Chancen in der Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der NATO?
In den letzten Monaten liegen unsere Herausforderungen nicht in der eigentlichen Kooperation, sondern in Themen aus anderen Politikfeldern, welche die Beziehungen der NATO zur Schweiz belasten. Insofern erklären wir derzeit häufig die Schweizer Haltung zu Rüstungsexporten, den Umgang mit Oligarchengeldern oder dem Atomwaffenverbotsvertrag. Auf technischer Ebene schätzt man unsere Beiträge an Forschungsprojekte oder NATO-Standards sehr und auch die mit dem Zusatzbericht zum Sicherheitspolitischen Bericht 2021 aufgekommene Dynamik wird positiv wahrgenommen.
Zu guter Letzt noch die alles entscheidende Frage: Tim und Struppi oder Heidi?
Auch wenn ich beide sehr gerne gelesen habe, versuche ich im Moment, Comics aus dem Hier und Jetzt zuhause zu haben, in denen sich unsere Tochter und unser Sohn wiederfinden.
Kurzporträt
Zusammen mit seiner Stellenpartnerin Eva Herrmann vertritt André Gsell die Interessen von armasuisse in Brüssel. André Gsell wirkt als Verbindungsperson zur NATO auf der Mission der Schweiz bei der EU. Der 38-Jährige hat nach einer Informatiklehre und dem Studium in Public Management and Policy sowie mehreren Auslandeinsätzen in der Armee und einem Abstecher bei der Small Arms Survey und der Abteilung Internationale Beziehungen der Armee, 2019 in der Aussenstelle in Brüssel angefangen.
