Forschungsprogramm 8 - Weltraum
Die Forschung im Bereich des Weltraums zielt darauf ab, die bedarfs- und fähigkeitsorientierte Entwicklung, den Erhalt und den weiteren Ausbau der notwendigen wissenschaftlichen und technologischen Kompetenzen im operativen Bereich der Raumfahrt oder im Rahmen möglicher Alternativen sicherzustellen. Dies umfasst Anwendungen in den Bereichen Weltraumlageerfassung, Präzisionsnavigation, Nachrichtenbeschaffung und Kommunikation. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Gesamtsicht Weltraum wobei es gilt als Zentralstelle für Weltraumaspekte zu fungieren und Resultate aus verschiedenen Programmen und Aktivitäten zu aggregieren und zu einem Gesamtbild für die Operationssphäre Weltraum zusammenzuführen.

Die Nutzung des Weltraums wird für zivile und militärische Anwendungen immer wichtiger. Durch die zunehmend beschleunigte Entwicklung der technologischen Möglichkeiten, die Digitalisierung verschiedenster Komponenten und die damit verbundene Miniaturisierung gewinnen weltraumbasierte Systeme (Satelliten) und Anwendungen (Dienste) noch mehr an Bedeutung. Mit der wachsenden Vernetzung der Gesellschaft sind Satelliten für viele Staaten zu einem Teil ihrer kritischen Infrastrukturen geworden, da zahlreiche zentrale Funktionalitäten der heutigen Gesellschaft von weltraumbasierten Fähigkeiten abhängen. Heutige Konflikte finden zudem nicht nur am Boden und in der Luft statt, sondern werden auch im elektromagnetischen Raum, im Cyber-Raum und eben auch im Weltraum ausgetragen.
Weltraumbasierte Systeme haben bereits heute auch für die Schweizer Armee in verschiedensten Bereichen eine essentielle Bedeutung. Zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben ist die Armee auf Leistungen aus dem Weltraum angewiesen, dies insbesondere in Form von Beiträgen zur Nachrichtenbeschaffung, zur Führungsunterstützung, zur Präzisionsnavigation und zur Synchronisation ihrer Systeme. Um militärische Missionen genügend vor Aufklärung aus dem All zu schützen, ist zudem ein Lagebild Weltraum erforderlich. Zur Erweiterung bzw. Erlangung der notwendigen Fähigkeiten ist ein umfassendes technisch-wissenschaftliches Fachwissen erforderlich. Dies wird im Forschungsprogramm Weltraum durch Studien, Demonstratoren und Erprobungen geschaffen. Daneben wird auch der Initiierung von nationalen Partnerschaften eine hohe Bedeutung beigemessen um Zugang zur benötigten Fach- und Methodenkompetenz zu erlangen. Satellitengestützte Systeme und Weltraumanwendungen zeichnen sich durch eine hohe Komplexität aus, so dass auch ein übergreifendes Missions- und Systemverständnis gefragt ist.
Ein weiterer Bedarf besteht zur Erschliessung von Fachwissen um Alternativen zu Weltraumanwendungen aufzuzeigen, die eine benötigte militärische Fähigkeit auf anderen Wegen ermöglichen können. Mit Hilfe dieses Wissens sollen Vor- und Nachteile bzw. Beschränkungen alternativer Fähigkeitsansätze in den Bereichen Kommunikation, Positionierung, Navigation und Zeitsynchronisation sowie Nachrichtenbeschaffung fundiert aufgezeigt werden können, mit dem Ziel, Kosten zu sparen und Abhängigkeiten zu vermindern.
Kompetenzfelder

Wie in vielen anderen technischen Bereichen schreitet auch in der Raumfahrt der technologische Fortschritt zunehmend schneller voran. Darüber hinaus nutzen nicht mehr nur große Staaten und Regierung den Weltraum, sondern vor allem visionäre Unternehmer treiben die Entwicklungen im sogenannten «New Space» massiv voran. Es ist folglich von essentieller Bedeutung die nationalen und internationalen Entwicklungen genau zu überwachen und die möglichen Auswirkungen auf die Aufgabenerfüllung sowie die Vorhaben der Armee in der Operationssphäre Weltraum aufzuzeigen. Es gilt die Entwicklungen systematisch zu verfolgen und nach Gesichtspunkten wie technischer Machbarkeit, Verfügbarkeit, Einsetzbarkeit, Kosten und Abhängigkeit zu bewerten. Typische Entwicklungsbeispiele sind: Launcher-Technologien, Rideshare-Konzepte, Hosted Payloads, Antriebstechnologien, Hochenergielaser, Mikro-wellen-Photonik, Terrahertz-Sensoren, optische Kommunikation, Quantentechnologien, künstliche Intelligenz, autonomer Betrieb und Reparatur oder Massnahmen zur Verlängerung der Lebensdauer von Satelliten.

Aufgrund der steigenden militärischen Nutzung des Weltraums ist es auch für die Schweizer Armee zwingend notwendig, eine genaue Kenntnis der Situation und der Vorgänge im Weltraum zu haben. Für die Erstellung des Weltraumlagebildes werden Forschungsprojekte zur Gewinnung von Bahndaten und dem Zustand von Satelliten durchgeführt. Dies erfolgt durch aktives oder passives Tracking durch optische oder elektromagnetische Methoden aber auch durch Verwendung von Open Source oder partnerschaftlichen Daten. Die gewonnenen Daten werden u.a. mit Algorithmen des maschinellen Lernens analysiert um Zustand, Absichten oder Manöver von Satelliten beurteilen zu können. Schlussendlich werden Demonstratoren zur Aufbereitung und Darstellung der Informationen für verschiedene Endnutzer auf strategischer, taktischer oder operativer Ebene erarbeitet.

Für die Erfüllung ihres Auftrages ist die Armee auf Informationen und Daten aus dem Weltraum sowie auf satellitengestützte Systeme angewiesen. Ein Schwerpunkt der Forschung liegt in der Bewertung des Leistungsvermögens und der Grenzen moderner Satellitenanwendungen sowie der Einschätzung der Leistungsfähigkeiten neuer (kommerzieller) Satelliten bzw. Satellitenkonstellationen. Ein weiterer Fokus liegt in der Analyse und Bewertung von satellitengestützten Verbindungen sowie der Nutzung von GNSS Signalen. Im Bereich der Nachrichtenbeschaffung werden auch die Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes von künstlicher Intelligenz an Bord eines Satelliten untersucht. Neben Weltraumanwendungen werden in diesem Kompetenzfeld auch mögliche Alternativen wie zum Beispiel der Einsatz von quasistationären Höhenplattformen (Pseudosatelliten) oder terrestrische Pseudoliten bearbeitet.

Eine mögliche zukünftige Kleinsatelliten-Fähigkeit in der Schweizer Armee erfordert den Aufbau von technisch-wissenschaftlichem Fachwissen in den Bereichen Raumsegment, Bodensegment und auch Nutzersegment. Das Forschungsprogramm hat zum Ziel diesen breiten und umfassenden Fähigkeitsaufbau in der Armee durch systematische Studien, Demonstratoren und Erprobungen zu unterstützen. Während Kompetenzen auf Subsystemebene vor allem auf partnerschaftlicher (industrieller) Basis vorhanden sind bzw. mit deren Hilfe geschaffen werden, ist das Missions- und Systemverständnis ein Kernstück der armeeeigenen Fähigkeiten. Es müssen technologische Kompetenzen im Bereich des sogenannten Mission Systems Engineering geschaffen werden, die es erlauben, Weltraummissionen zu planen, zu entwerfen und zu bewerten. Im Rahmen des Forschungsprogrammes werden Missions- und Systemstudien durchgeführt, Konzepte gegeneinander abgewogen, Machbarkeiten und Grenzen demonstriert und partnerschaftliche Möglichkeiten aufgezeigt.

Im Bereich Schutz und Gegenmassnahmen muss die Armee Fähigkeiten besitzen, sich der gegnerischen Wirkung aus dem Weltraum zu entziehen. Im Verbund mit anderen Wirkungsräumen konzentrieren sich hier die Forschungsprojekte auf die verschiedensten Aspekte von Tarnung, Täuschung und Ablenkung. Neben den passiven Massnahmen sollen auch begrenzte aktive Fähigkeiten in der Operationssphäre Weltraum zum Einsatz kommen. Der Schwerpunkt der Forschung liegt hier im Bereich der Wirkmittel im elektromagnetischen Raum zur Störung von satellitengestützten Kommunikations- oder Navigationssignalen wie auch der Einsatz von Hochleistungslasern zur Behinderung von optischer Aufklärung oder optischer Kommunikation. Ein weiteres Feld der Forschung liegt schliesslich im Bereich des Schutzes und der Gegenmassnahmen von künftigen Satellitensystemen gegenüber den immer stärker vorhandenen Schrottteilchen (space debris) oder gegenüber gezielter Zerstörung.
Technologiedemonstrator

Zusammen mit einem externen Partner hat armasuisse W+T den Demonstrator SitSat (Situation des Satelliten) entwickelt, um das Lagebild Weltraum zweckmässig zu visualisieren. Diese Applikation erlaubt es, die Situation aller bekannten Satelliten an einem beliebigen weltweiten Referenzort und in einem beliebigen Zeitfenster darzustellen und zu analysieren. Die Satelliten können nach ihren verschiedenen Anwendungen und weiteren Kriterien wie Betreiberland, Zweck, Typ oder Umlaufbahn gefiltert werden. Ebenfalls kann ermittelt werden, ob und in welchem Zeitfenster der ausgewählte Referenzort für einen Aufklärungssatelliten sichtbar ist und ob eine Verbindung zu einem Kommunikationssatelliten möglich ist. Dabei berücksichtigt die Applikation sowohl die vorherrschenden Wetterbedingungen wie auch topografische Gegebenheiten. Das bedeutet, es wird auch beachtet, ob die Sicht beispielsweise durch Berge oder Bewölkung verunmöglicht wird. Der Demonstrator existiert einerseits als Webanwendung, um auf operativer Ebene ein umfassendes Lagebild zu erhalten und die operative Planung gezielt zu unterstützen. Darüber hinaus liegt SitSat aber auch als App für Tablets und Smartphones vor, um auf taktischer Ebene ein schnelles Lagebewusstsein zu erlangen und taktische Entscheidungen zu beschleunigen.
Netzwerk
Für den Aufbau von Fachkompetenzen wird ein breites Netzwerk von Partnern aus Wirtschaft, Hochschulen, Universitäten und anderen Forschungsstellen im In- und Ausland aktiv genutzt und gepflegt. Zur Sicherstellung der Fähigkeitsorientierung findet ein enger Kontakt und Informationsaustausch zu Nutzern, Planungs-, Beschaffungs- und Erprobungsstellen des VBS statt.
Forschungsprogrammleiter

Unser Forschungsprogrammleiter «Weltraum» freut sich über Ihr Interesse!
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Factsheet Forschungsprogramm 8 - Weltraum
PDF, 2 Seiten, 587 KB, Deutsch
Feuerwerkerstrasse 39
CH-3602 Thun
- Tel.
- +41 58 484 64 68
Leiter Forschungsprogramm
Dr. Ulrich Langer