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Forschungsprogramm 1 - Aufklärung und Überwachung

Das Forschungsprogramm Aufklärung und Überwachung des Kompetenzbereiches Wissenschaft und Technologie von armasuisse bearbeitet fünf fähigkeitsorientierte Kompetenzfelder im Bereich ISTAR (Intelligence, Surveillance, Target Acquisition and Reconnaissance). Dazu werden neue Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung aufgezeigt und technisch-wissenschaftliche Fachkompetenzen zu den Fähigkeitslücken der Armee aufgebaut. Dies wird mit Hilfe eines multilateralen Kooperationsnetzwerkes sichergestellt.

Verschiedene Kameras

 

Entschlussrelevante Informationen können in Zukunft zeitnaher, präziser und auch unter erschwerten Bedingungen, wie bei Regen und Wolken, generiert werden. Die Gründe sind vielfältig. Im Vergleich zu heute wird die Weiterentwicklung von intelligenten Algorithmen erlauben Ziele besser zu erfassen und zu klassifizieren. Dies trifft beispielsweise bei der Weiterentwicklung der Radartechnologie für die Luftraumüberwachung zu. Neuste Entwicklungen im Bereich von kognitiven und multistatischen Radartechnologien ermöglichen eine verbesserte Detektion von Luftzielen durch die Nutzung von Informationen aus der Umgebung. Intelligente Algorithmen spielen auch bei der Fusion von Daten verschiedener Sensoren und bei der Verdichtung von Informationen zu einem situationsgerechten Lagebild eine wichtige Rolle.

Aufgrund der Fortschritte in der Elektronik können detektierte Sensordaten zunehmend digitalisiert und weiterverarbeitet werden. Dies zeigt sich beispielsweise bei der bildbasierten Aufklärung. Weitwinkelaufnahmen in sehr hoher Bildauflösung, basierend auf Multikamerasystemen, können in Echtzeit erfasst werden. Andere Entwicklungen in der Elektronik und Halbleitertechnologie ermöglichen die Miniaturisierung von Sensorbauteilen, was nicht zuletzt für Anwendungen auf Mikro- und Mini-Drohnen von Interesse ist. Die fortschreitende Entwicklung in der Elektronik erschliesst Spektralbereiche, welche mit der heutigen Sensorik noch nicht genutzt werden konnten, was Verbesserungen in der Aufklärung von Zielen bei ungünstigen Wetterbedingungen oder von Tarnstellungen verspricht.

Aktuelle Technologieentwicklungen wirken sich auf die Leistungsgrenzen zukünftiger Aufklärungs- und Überwachungsmittel aus. Deshalb sind die zentralen Aufgaben des Forschungsprogramms

  • die Erfassung der relevanten Technologien und ihrer Trends in Bezug auf Nachrichtengewinnung (IMINT, RADINT, MASINT, ACCOUSTINT, SAR, GEOINT)
  • das Aufzeigen von neuen technischen Möglichkeiten
  • die Sicherstellung von Grundlagen und Fachkenntnissen für Beratung, Erprobung und Expertisen

Kompetenzfelder

Luftraumaufkläungssensor am Himmel
Luftraumaufklärung

Die Fortschritte in der Antennentechnologie, Hochfrequenztechnik, Halbleitertechnologie, den Algorithmen und integrierten Schaltungen werden zukünftig eine Leistungssteigerung der Radarsysteme und neue Anwendungen ermöglichen. Forschungsthemen des Kompetenzfeldes betreffen adaptive, kognitive, multistatische, multifunktionale und vernetzte Radarsysteme, aber auch intelligente Gegenmassnahmen, um Störeffekte zu reduzieren. Da die modernen Radarsysteme agiler und intelligenter werden, ist auch die Gegenseite, d.h. die Aufklärung von Radarsystemen gefordert, ihre Techniken anzupassen. Hierzu werden Grundlagen mittels Experimenten aufgebaut. Zudem werden Fortschritte zur Erkennung, Verfolgung und Identifikation von Drohnen beurteilt, z.B. für die Detektion von Drohnen in überbauten Gebieten.

Karte von Thun

Zukünftig können gut getarnte Stellungen aus grossen Distanzen mit Hyperspektralsensoren aufgeklärt werden. Hyperspektrale Sensoren messen die Materialeigenschaften, wodurch bei guten Wetterverhältnissen beispielsweise ein grünes Tarnnetz von der grünen Vegetation unterschieden werden kann. Im Gegensatz dazu schaffen es sogenannte abbildenden Radarsensoren (Synthetic Aperture Radar SAR) auch bei Wolken hochaufgelöste Aufklärungsbilder der Erde zu liefern – und dies bei jeder Tages- und Nachtzeit sowie aus grosser Distanz. Die Weiterentwicklung der SAR-Technologie verspricht menschliche Aktivitäten am Boden in Echtzeit zu erfassen und kleinste Veränderungen zu erkennen. SAR-Geräte werden auf Drohnen und bemannten Flugzeugen installiert. Zunehmend an Bedeutung gewinnen aufgrund der Miniaturisierung und neuen Business-Modellen SAR-Systeme auf Satelliten.

Überwachungssensor mit ausgerichteten Kameras

Die Bedeutung der intelligenten, sensornahen Auswertung wird in den kommenden Jahren markant zunehmen. Zum einen steigen die Datenmengen aufgrund von Fortschritten in den Halbleitertechnologien von Detektoren. Diese grossen Datenmengen gilt es, lokal auszuwerten und zu reduzieren. Zum anderen erlaubt die Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz und von integrierten Schaltungen technische Lösungen für sensornahe Integration von modernen Algorithmen. Deshalb gilt es, die Fortschritte zur lokalen Intelligenz, d.h. der sogenannten Edge- und Tiny-Edge-Technologie, zu verfolgen und zu beurteilen. Im Weiteren werden zunehmend heterogene Sensoren vernetzt eingesetzt. Die Daten- und Informationsfusion solcher Sensoren gewinnt an Bedeutung und neue technische Lösungen sind gefordert, insbesondere für moderne C2 (Command and Control) Systeme. In diesem Kompetenzfeld werden deshalb die Trends und Grenzen der intelligenten und vernetzten Überwachung erfasst und beurteilt.

Leistungsgrenze moderner Sensorik

Die Fortschritte der Detektoren und Sensoren werden in Bezug auf die Leistungsgrenzen beurteilt. Dies betrifft Multisensorik, Miniaturisierung und Sensorik, welche auf neue spektrale Bänder zugreifen, sowie neue Möglichkeiten in der Weitwinkelaufklärung. Es werden auch neue Ansätze zur Erweiterung der Sensordistanzen oder für Einsätze im urbanen Gelände (z.B. Through Wall Sensing) untersucht.

Aufnahme einer seiner Umwelt angepassten und somit getarnten Stelle im Wald

Die Kenntnisse zu den Signaturen von Zielen und Hintergrund ist eine wesentliche Voraussetzung für die Beurteilung von moderner Tarnung und Zieldetektion. Deshalb wird die Signaturanalyse mittels Simulationen und Messungen im Radarbereich, im visuellen und Infrarot-Spektrum sowie im akustischen Bereich betrachtet. Im Weiteren werden die Fortschritte zu multispektraler, mobiler und adaptiver Tarnung erhoben und beurteilt. Dies betrifft auch neue Möglichkeiten in der Materialtechnologie. Zudem von Interesse ist die Tarnung und Täuschung gegenüber moderner künstlicher Intelligenz in der Aufklärung. Im Weiteren werden in diesem Kompetenzfeld neue Möglichkeiten von Schuss- und Schützendetektion für herausfordernde Situationen, beispielsweise mit Warnsensoren auf Helikoptern oder im urbanen Raum aufgezeigt.

Technologiedemonstratoren

MIRANDA-35 Radarsensor

Der Technologiedemonstrator MIRANDA-35 ermöglicht luftgestützte Aufnahmen des Bodens auch bei Wetterverhältnissen, bei denen andere Sensoren keine brauchbaren Informationen liefern (beispielsweise Wolken oder Regen). Quicklook-Bilder, d.h. auf dem Flugzeug unmittelbar nach Messaufnahme generierte Fernerkundungsbilder in niedriger Auflösung, können mittels Funk an eine Bodenstation übertragen werden. Die auf dem Flugzeug gespeichert Messdaten können nach einer Mission in Bilder mit höchster Bildpunktauflösung von 10 cm umgewandelt werden. Der Technologiedemonstrator umfasst fünf Empfangskanäle, womit bewegte Ziele am Boden und in der Luft, polarimetrische Eigenschaften von Bodenzielen, kleinste Veränderungen wie auch Höheninformationen des Geländes und von grossen Objekten bestimmt werden können.

Luftaufnahme eines Helikopters

Gewehrschüsse auf Helikopter sind für die Crew kaum hörbar, da sie im Helikopterlärm untergehen. Umso wichtiger wäre es für den Piloten im Ereignisfall automatische Warnungen und Hinweise auf Gefahrenzonen zu erhalten. Um Beurteilungskompetenzen hierzu aufzubauen, wurde ein Cougar-Helikopter mit 14 Spezialmikrofonen für Testzwecke ausgestattet.

Multisensor-Demonstrator

Mit einem Sensor alleine lässt sich oft nicht das gewünschte Aufklärungsresultat erzielen. Die Multisensorplattform ermöglicht das Potenzial der Sensordatenfusion zu nutzen.

Eine fliegende Drohne mit sechs Rotoren fliegt am Himmel. Sie ist durch eine Leine mit dem Boden verbunden.
Der Hexakopter ist mit einem Strom- und Datenkabel mit einer Bodenstation verbunden.

Der Technologiedemonstrator umfasst einen Hexacopter, Strom- und Datenkabel zur Drohne sowie eine Bodenstation. Das Kabel hat eine Länge von 100 Meter, wobei der Betrieb typischerweise auf 80 Meter über Boden stattfindet. Das Gewicht des Kabels umfasst 1.6 Kilogramm für 100 Meter Länge – d.h. 16 Gramm pro Meter Kabellänge. Die Daten können mit einer Datenrate von 40 Megabit pro Sekunde übertragen werden. Die Drohne regelt automatisch die Rotoren, damit sie stabil an Ort und Stelle fliegen kann. Zudem ist aus Sicherheitsgründen ein Notfallschirm integriert. Aktuell ist ein Gimbal-System mit visueller und infraroten Kamera als Payload auf der Drohne integriert. Der Einsatz des Gesamtsystems für Aufklärungs- und Überwachungszwecke konnte beispielsweise für Drohnendetektion oder Überwachungsaufgaben der Truppe demonstriert werden. In einem zukünftigen Schritt wird die automatische Detektion und Verfolgung von Luft- und Bodenzielen betrachtet. 

Abbildung eines Mikrofongerätes
Das Mikrofongerät misst Geräusche in seiner Umgebung und leitet die Messdaten weiter.

Der UDPD (Urban drone presence detection) Technologiedemonstrator besteht aus mehreren verteilten Mikrofongeräten und einer zentralen Auswerteeinheit. Die Mikrofongeräte werden mit Batterie betrieben und sind windunabhängig. Sie messen die Geräusche in ihrer Umgebung und senden die Audiodaten an eine zentrale Einheit zur Visualisierung und Überwachung. Dieses Vorgehen erlaubt der zentralen Einheit die Lärmsituation in Echtzeit darzustellen. Im Weiteren bestimmt die zentrale Einheit automatisch für jedes Mikrofongerät, ob sich eine Drohne in der Nähe des Mikrofongerätes befindet. Auch der Abstand von der Drohne zum Mikrofongerät wird geschätzt. Hier einige Eckdaten einer Mikrofoneinheit:

  • Signalspektrum: 10 Hz bis 8 kHz
  • Signalpegel: 25 – 130 dB
  • Genauigkeit Zeitsynchronisation: <1 Mikrosekunde
  • Datenrate der drahtlosen Kommunikation: 256 kbps
  • Leistung: 0.8 W
  • Laufzeit: 8 Stunden, der Anschluss eines Solarpanels ist möglich

Eine Sendeantenne, daneben zwei Empfangsantennen auf einem Stativ
Ein agiler Radarknoten besteht aus einer Sende- und zwei Empfangsantennen.

Vier programmierbare, sogenannte Software Defined Radio Radargeräte werden von einer zentralen Einheit angesteuert. Die Zeitsynchronisation basiert auf den GPS-Signalen. Folgende Forschungsthemen werden mit dem Demonstrator untersucht:

  • Nichtlineare Radarwellenformen
  • Radarnetzwerke, d.h. Fusion von Radardetektionen von mehreren Radargeräten
  • Kognitive Radaralgorithmen
  • Rauschradartechnologie, d.h. Methoden zur Tarnung von Radargeräten
  • RADCOM-Themen, d.h. Grundlagen zur Co-Existenz Radar und Kommunikation
  • Multistatischer Radaransatz
  • Drohnendetektion im urbanen Gelände

Ein einzelner Radarknoten weist folgende Kenngrössen auf:

Antennen: Eine Sende- und zwei Empfangsantennen

Betriebsarten: Frequenzmoduliertes Dauerstrichverfahren und beliebig programmierbare Wellenformen

Radarfrequenz: 8.2 – 10.6 GHz

Bandbreite: 160 MHz für das Dauerstrichverfahren und 80 MHz für beliebig programmierbare Wellenformen

Ausgangsleistung: 2 W, bzw. 20 W

8 WLAN-Antennen installiert auf einem Dach
Eine Empfangseinheit besteht aus 8 WLAN-Antennen.

Klassische Radargeräte arbeiten im monostatischen Fall, d.h. es wird nur eine Antenne eingesetzt oder die Sende- und Empfangsantennen befinden sich am gleichen Ort. Falls nun Sende- und Empfangsantennen örtlich getrennt aufgestellt werden, ist ein Gewinn an Diversität zu erwarten, beispielsweise hinsichtlich der Empfangsleistungen der vom Ziel zurückgestreuten Radarwellen oder bezüglich der Doppler-Geschwindigkeiten. Ein zweiter, d.h. ein zusätzlicher Empfänger kann diese Diversität noch weiter erhöhen. Der Technologiedemonstrator umfasst folgende Eckwerte:

  • Frequenzband: C-Band, 5.2 – 5.8 GHz
  • Bandbreite: Maximal 50 MHz
  • Anzahl Antennen: 1 Sende- und 2 Empfangsantennen
  • Sendeantenne: Phased Array
  • Die maximale Spitzenleistung ist 400 W
  • Der elektronische Schwenkbereich ist 90°
  • Empfangsantenne besteht aus jeweils acht WLAN Antennen, welche elektronisch acht Empfangsrichtungen steuert
  • Suchbereich: 5 km x 5 km

Eine Akustikkamera, bestehend aus insgesamt 120 integrierten Mikrofonen
120 integrierte Mikrofone lokalisieren Lärmquellen in Echtzeit.

Die Akustikkamera mit 120 Mikrofonen ermöglicht die Detektion und Lokalisation von mehreren Geräuschquellen in Echtzeit, z.B. die Detektion und Lokalisation bzw. Verfolgung von Drohnengeräuschen. Die mit der Akustikkamera gemessenen Azimut- und Elevationsrichtungen der Geräuschquellen können für die Ausrichtung zusätzlicher Sensoren verwendet werden (z.B. Kamera auf einer Dreh-Neigeplattform). Insgesamt kann die Akustikkamera gleichzeitig auf sechs frei wählbaren Zielfrequenzen mit individuellen Frequenzbändern die nähere Umgebung akustisch überwachen. 

Netzwerk

Der Aufbau von Fachkompetenzen basiert auf einem breiten Netzwerk von Partnern aus Wirtschaft, Hochschulen, Universitäten und anderen Forschungsstellen im In- und Ausland. Zur Sicherstellung der Fähigkeitsorientierung findet ein enger Kontakt und Informationsaustausch mit Nutzern, Planungs-, Beschaffungs- und Erprobungsstellen des VBS statt.


Wissenschaft und Technologie Fachbereich Forschungsmanagement
und Operations Research
Feuerwerkerstrasse 39
CH-3602 Thun
Tel.
+41 58 468 28 10

Leiter Forschungsprogramm

Dr. Peter Wellig

E-Mail

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